Vorteile niedriger Garantien in der betrieblichen Altersvorsorge

Neue Garantien in der betrieblichen Altersvorsorge schaffen seit 2022 mehr Spielraum für Renditeerzielung. Die Auswirkungen und Praxistipps erklärt Matthias Kokot, bAV-Experte und GF der Kokot Finanzplanung.

Bereits zum 01.01.2022 wurde der sog. Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung von 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent reduziert. Durch die Zinsabsenkung wurde es für die meisten bAV-Produktanbieter unmöglich nach Abzug von Kosten 100 Prozent der eingezahlten Beiträge zum Ablauf zu garantieren. Als Reaktion wurde das Garantieniveau der angebotenen Produkte abgesenkt. Dies betrifft sämtliche versicherungsförmigen Durchführungswege (Pensionskasse, Direktversicherung, Pensionsfonds) wie auch versicherungsförmig rückgedeckte Pensionszusagen und Unterstützungskassen. Von nun an sichern nahezu ausnahmslos klassische wie fondbasierte bAV-Konzepte statt 100 Prozent 90, 80 und 60 Prozent der eingezahlten Beiträge als Garantiekapital.

Absenkung der Garantie in der bAV erhöht Renditechancen
Abgesenkte bAV-Garantien bieten durchaus Vorteile. Bei einer 100 prozentigen Beitragsgarantie in der Vergangenheit war ein Aktieninvestment in der bAV bei Vertragslaufzeiten unter 20 Jahren ohnehin nur theoretisch möglich. Das ist nun seit gut zwei Jahren anders, erklärt Kokot. Weniger Garantiezusage bedeutet, dass ein größerer Teil des Beitrages in chancenreichere Anlagen wie Fonds oder ETFs investiert werden kann. Auf diese Weise sollen, vor allem bei längeren Laufzeiten, höhere Versorgungsleistungen erzielt werden können. Das folgende Beispiel zeigt auf wie mit einer stufenweisen Garantiereduktion die Fondsquote (Investmentquote) einer fondsbasierten Direktversicherung gesteigert werden kann. Versicherer erzeugen zugesagte Garantien meist mittels einer Anlagesteuerung. Vereinfacht betrachtet werden die Beiträge zwischen sicherer Anlage (Sicherungsvermögen) und chancenorientierter Anlage (Fonds oder ETFs) aufgeteilt und im Zeitverlauf umgeschichtet. Ausgehend von einer 30-jährigen Laufzeit bietet die Direktversicherung eines bAV-Marktführers mit einer endfälligen Beitragsgarantie von 90 Prozent die anfängliche Investmentquote in Höhe von 34 Prozent. Unter sonst gleichen Bedingungen führt die Absenkung des Garantieniveaus auf 80 Prozent zu einer Investmentquote von 46,00 Prozent und eine weitere Garantiereduktion auf 60 Prozent erhöht die Investmentquote noch einmal auf ca. 60 Prozent. Da davon ausgegangen werden kann, dass das Sicherungsvermögen der Lebensversicherung langfristig gerade mal den inflationären Ausgleich bringen wird, dürfte die Steigerung der Investmentquote der „gamechanger“ bei der Gestaltung der betrieblichen Altersvorsorge werden.

Auch Produktkosten beeinflussen maßgeblich Renditen von Betriebsrenten
Ein weiterer Faktor, der sich starkt auf die Rentabilität der bAV auswirken kann, sind Produktkosten. Neben einmalig anfallenden Vertriebskosten für Abschlussprovisionen, die als Prozentsatz der zum Vertragsabschluss vereinbarten Beitragssumme meist in den ersten fünf Jahren erhoben werden, sind es die laufenden, jährlichen Versicherer Verwaltungskosten und die jährlichen Fondsverwaltungskosten, die am stärksten auf die Vertragsentwicklung einwirken.
Natürlich haben Kosten ihre Berechtigung, schließlich hat jede Dienstleistung Ihren Preis. Allerdings sollen diese in einer angemessenen Höhe erhoben und möglichst transparent ausgewiesen werden. Das trifft für viele angebotene bAV-Produktlösungen nicht zu, erklärt Kokot. Dabei lässt sich eine deutliche Kostensenkung der Vertriebskosten allein schon durch die Einrichtung eines sog. Kollektivrahmenvertrages für sämtliche betriebliche Versorgungen eines Unternehmens. Abhängig von der Anzahl der zu versorgenden Personen, können so bis zu 50 Prozent der marktüblichen Produktkosten eingespart werden. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Kostenreduktion durch den Einsatz kostengünstiger passiver Fonds, sog. Exchange Traded Fonds. Ob bei der Direktversicherung oder der rückgedeckten Unterstützungskasse, ETFs lassen sich hervorragend als Anlage einbinden.

Praxistipp – Gute Orientierung beim Vergleichen unterschiedlicher bAV-Konzepte bietet die Effektivkostenquote. Als Kennzahl zeigt diese auf, auf wieviel Bruttorendite der Anleger jährlich durchschnittlich verzichten muss, weil es Produktkosten gibt (Versicherungs- und Fondsverwaltungskosten). Bei einer kostengünstig kalkulierten ETF-basierten Direktversicherung mit einer Vertragslaufzeit von 30 Jahren beispielsweise, dürfte die Effektivkostenquote bei ca. einem Prozent liegen.

Ist eine Garantie unter 100 Prozent der Beiträge in der bAV überhaupt zulässig?
Arbeitgeber sollten sich zunächst einmal die Frage stellen, welche Garantien bzw. Mindestleistungen bei den einzelnen arbeitsrechtlich definierten Zusagearten in der bAV zwingend vorgegeben und damit auch zu erfüllen sind.
Dies lässt sich bei der Zusageart „Beitragszusage mit Mindestleistung“ (BZML) leicht beantworten. Hier garantiert der Arbeitgeber, dass bei Eintritt des Versorgungsfalles mindestens die Einzahlungen zur Verfügung stehen, um daraus die Versorgungsleistung für den Arbeitnehmer lebenslang zu zahlen. Beiträge für Risikoleistungen, wie Tod oder Berufsunfähigkeit, können dabei abgezogen werden. Das entspricht einer Garantie von 100 Prozent. Garantiert der bAV-Versicherer also weniger als 100 Prozent, steht der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer automatisch für die Differenz ein. Dieses Haftungsrisiko werden Arbeitgeber wohl in den seltensten Fällen bewusst eingehen wollen.

Anders verhält es sich bei der „beitragsorientierten Leistungszusage“ (BoLZ). Hier verpflichtet sich der Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln. Das BAG-Urteil vom 30.08.2016 (3 AZR 361/15) stellt klar, dass eine Mindestleistung, zum Beispiel in Höhe der Beitragssumme, bei der beitragsorientierten Leistungszusage nicht notwendig ist. Auch bei Entgeltumwandlungen sehen wir die 60 prozentige Garantie in der bAV als zulässig an, erklärt Kokot. Durch die vollständige Zahlung des umgewandelten Entgelts in die Versorgung wird das Gebot der Wertgleichheit regelmäßig erfüllt. Auch das Erfordernis der Werthaltigkeit dürfte unserer Ansicht nach eingehalten sein.

Fazit und Praxisempfehlung
Arbeitgeber sollten ihre betrieblichen Versorgungswerke prüfen. Neben der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Produktpartners und der Kosten der angebotenen bAV-Produktlösungen, sollte die gewählte Form der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage auf den Prüfstand gestellt werden, um mögliche Haftungsrisiken auszuschließen. Für Neuzugänge empfehlen wir dringend Versorgungszusagen in der Form der Beitragszusage mit Mindestleistung zu schließen und ersetzend die beitragsorientierte Leistungszusage anzubieten. So kann die bAV-Garantie entsprechend abgesenkt werden und der Versicherer bekommt deutlich mehr Spielraum das Kundengeld am Kapitalmarkt anzulegen. Letztlich profitieren Arbeitnehmer von Chancen auf höhere Versorgungsleistungen. Arbeitgeber sind gut beraten, eine unabhängige Expertise einzuholen.

Kokot Finanzplanung fungiert seit 2004 als Beratungsunternehmen für sämtliche Themenbereiche der betrieblichen Altersvorsorge. Basierend auf langjähriger Markterfahrung und einem Expertennetzwerk aus bAV-Fachberatern, Steuerberatern und Fachanwälten, werden Prüfungen, Neuordnungen und Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorgezusagen angeboten.

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